Kreisklassenfußball auf Borkum
Mittendrin statt nur dabei
Etwas über den Alltag in einem Fußballverein zu lesen, der seit Jahrzehnten in den Kreisligen und Kreisklassen der Region verkehrt, ist vermutlich für die meisten Fußballinteressierten ein alter Hut und den Lesenden fällt sofort ein solcher Verein in der eigenen Heimat ein. Aber Amateurfußball auf einer Insel hat dann doch seine ganz eigenen Herausforderungen und Besonderheiten.
Zunächst kommt dabei die unvermeidliche Nordseeüberquerung für die Fahrt zu den Auswärtspartien in den Sinn. Insbesondere in den Wintermonaten, in denen der Fahrplan nicht gerade für Kurzaufenthalte auf dem Festland ausgelegt ist, sind diese Reisen sehr aufwendig. So ist es keine Ausnahme, dass der sonntägliche Familientag halb auf dem Schiff und halb in einer der zahlreichen ostfriesischen Dorfgemeinden stattfinden muss. Einige Spieler richten sogar ihren Dienstplan nach den Spielen aus oder nehmen sich Urlaub, um in der 2. Kreisklasse für ihren Herzensverein anzutreten. Wenn es schlecht läuft, kann so eine Auswärtsfahrt in den dunklen Monaten dann auch mal von Tür zu Tür elf bis zwölf Stunden dauern. Als kleine Einordnung: In der gleichen Zeit könnte man von Flensburg mit dem Auto nach München fahren und hätte sogar noch Zeit für eine Pause auf dem Weg. Trotzdem finden sich immer wieder genug Leute, um den TuS Borkum fußballerisch zu vertreten. Dies liegt zum einen an der guten Stimmung innerhalb des Teams, wobei viele bereits seit der G-Jugend gemeinsam gegen das Leder treten und zum anderen an der Atmosphäre bei den Heimspielen.
Stilecht werden die Tickets für die Heimspiele aus einem Strandzelt verkauft. Dessen Pendant hat es aber (noch) nicht an die Seitenlinie geschafft, das wäre vermutlich auch zu viel des Guten. Denn einen Strandkorb als Trainerbank gab es nur für Volker Finke in Freiburg – wo auch sonst?! Neben dem inseltypischen Ticketstand beinhalten die Heimspiele eine weitere Besonderheit. Inoffiziell hat der ansässige Sportverein den besten Zuschauerschnitt der gesamten Liga. Für einige Borkumer:innen, Gäste und Ultras hat Sonntag 13:30 bereits einen zentralen Platz im Kalender. Viele nutzen die Möglichkeit, um sich über Neuigkeiten auszutauschen, in der Stadionzeitung „Attacke“ zu schmökern und dabei gemeinsam ein-zwei Heiß- oder Kaltgetränke sowie eine frische Bratwurst zu genießen. Im Fokus steht aber natürlich das Spiel der 1. Herren, welches für die Ligastufe einen größtenteils ansehnlichen Fußball bietet. Flankiert von nahezu professioneller Stadionregie und eingestreuten Fangesängen, entsteht auf der Anlage eine angemessene Atmosphäre.
Die Unterstützung der Anhänger wirkt sich auch positiv auf das Spiel der Insulaner aus, sodass sie insbesondere in den letzten Spielzeiten über eine enorme Heimstärke verfügen. Großen Anteil daran hat auch der spezielle Untergrund, auf dem die Kicker einen gepflegten Ball nach vorne spielen. Vor ein paar Jahren ersetze der Kunstrasenplatz den alten Ascheplatz. Dies ist eine Entwicklung, die sich bei vielen deutschen Vereinen erkennen lässt. Ascheplätze gibt es nur noch sehr selten und auch der Borkumer Platz wurde aus offensichtlichen Gründen vor seinem Ende nur für Punktspiele reaktiviert, wenn der angestammte Rasenplatz nicht zur Verfügung stand. Auch wenn es innerhalb der Mannschaft weiterhin große Verfechter der Naturrasenplätze gibt, überwiegen die Vorteile des künstlichen Geläufs. Dies wird vor allem deutlich, wenn nach der Winterpause vermehrt Spiele ausfallen müssen, weil Plätze auf dem Festland nicht bespielbar sind. Dieses Problem kennt der TuS bei seinen Heimspielen nicht mehr.
Die bereits angesprochene Geschlossenheit innerhalb der Mannschaft ist eine weitere Besonderheit im Vergleich zu einigen Ligakonkurrenten. Können Akteure auf dem Festland problemlos zwischen Vereinen hin- und herwechseln, hat der TuS, ob seiner Monopolstellung, den Vorteil keinen Abwerbungsversuchen der Konkurrenz erliegen zu müssen. So können die Trainer darauf vertrauen, dass ihre Schützlinge auch in der nächsten Saison für den TuS agieren.
Die Repräsentation des Vereins beschränkt sich dabei nicht nur auf die 90 Minuten auf dem Grün, sondern auch außerhalb des Platzes werden die übergeordneten Werte dieser fantastischen Sportart aktiv gelebt. So wird die Reichweite des Social-Media-Kanals für gemeinnützige Aktionen genutzt, ein Teil der Ticketeinnahmen gespendet und auch die Weihnachtsspendenläufe verzeichneten durch den Rückhalt der Inselgemeinschaft große Erfolge, die verschiedenen Zwecken zugutekamen.
Neben den offensichtlichen Gründen ein Fußballspiel auf der Insel zu besuchen, sind hier noch einige dazu gekommen. Der Verein hofft in den nächsten Wochen das ein oder andere neue Gesicht am Fritz-Klennert-Platz begrüßen zu dürfen. Vielleicht hast du oder haben Sie ja sogar Anteil an der Titelverteidigung und dem langersehnten Aufstieg in die Kreisklasse A. Dann wird es vermutlich auch höchste Zeit für den Strandkorb an der Seitenlinie.
Text von Sebastian Kasten.